Balljungs – Der Fußball Blog Rund um Bundesliga, Champions League und Europa League
Adi Hütter wurde bei Borussia Mönchengladbach entlassen.
Adi Hütter wurde bei Borussia Mönchengladbach entlassen.

Adi Hütter: Krasse Fehleinschätzung statt Missverständnis

| 3 Kommentare

„An mir liegt’s nicht!“ – Adi Hütter könnte im Nachhinein doch Recht behalten. Weil er Gladbach brachte, was zu erwarten war. Dass man das aber gar nicht brauchte, war kein Missverständnis, sondern eine Fehleinschätzung Eberls.

Hütter war, was Eberl suchte

Nach vielen erfolgreichen Jahren mit schönem, attraktivem Fußball wagte Max Eberl im Sommer 2019 einen mutigen Schritt: Er holte Marco Rose, einen Trainer aus der „RB-Schule“, der vermehrt das Pressing bei der Borussia etablieren sollte. Dabei baute man auf einer Mannschaft auf, die bereits eine hohe Spielkultur besaß.

Zu Zeiten von Lucien Favre war der Begriff „Borussia Barcelona“ nicht nur ein Witz: Man spielte sehr mutig, sehr attraktiv und viel mit dem Ball. Niemand wollte dem Gegner den Ball überlassen, man wollte es selbst machen. Mit Rose sollte das beibehalten, Pressing jedoch als neues Element hinzugefügt werden. Eberl sah das als den nächsten Schritt in der Borussia-Entwicklung.

Nun wurde das Projekt durch Marco Roses Wechsel unterbrochen. Die Traineralternative Domenico Tedesco verrät: Der Pressing-Ansatz war auch beim neuen Trainer ein Hauptfokus. Der kommt zwar nicht aus der „RB-Schule“, jedoch aus dem „Ralf Rangnick-Kosmos“ Hoffenheim. Adi Hütter passte also ins Profil Eberls:  „Der beste Trainer für die vor uns liegenden Ziele.“

Hütter war nicht, was Gladbach brauchte

Und hier liegt die krasse Fehleinschätzung von Max Eberl. Die Spielkultur Favres war zum Ende der Rose-Zeit verloren gegangen. Schon unter Roses Vorgängern wackelte diese Ausrichtung. Ob final dann Rose, sein Abgang oder etwas anderes Schuld ist, darüber lässt sich streiten. Wichtig wäre es jedoch gewesen, die Basis des „Borussia-Wegs“ wieder herzustellen und die Spielqualität zu stärken:

„Borussia ist eine Mannschaft, die Fußball spielt. Nicht nur Ballbesitz, sondern das Attribut Attraktivität kommt dazu. Auf Grundlage dessen wollen wir einen guten Trainer finden“, erklärte der neue Sportdirektor Roland Virkus nach der Trennung von Hütter. Doch das hätte schon vor Hütters Antritt das Ziel sein müssen: Ballbesitz, Attraktivität, Spielkultur.

Statt das Rose-Projekt nicht nur weiterzuführen, sondern mit Hütter noch mehr ins Extrem zu treiben, hätte Eberl das Fundament für eine weitere erfolgreiche Zeit im Borussia-Stil legen müssen. Die Idee, dass Hütter diese Mannschaft dorthin bringt, war nie realistisch.

Defensive stabilisieren, Pressing-Qualität herstellen

Mit Hütters Verpflichtung waren gewisse Erwartungen verbunden. Er sollte das Pressing verbessern, was auch in gewissen Teilen funktionierte. Besonders zu Hütters Beginn sah man stärkeres Pressing und mehr Zweikämpfe als zuvor – dabei jedoch schlechte Zweikampfquoten und Abschalten der Spieler in entscheidenden Momenten.

Doch nicht erst mit den auftretenden Problemen war klar: Adi Hütter ist kein Trainer, der die Defensive stabilisiert. Auch wenn es eigentlich zu seinen Erwartungen gehörte, waren seine Frankfurter in der Vorsaison 2020/21 nur marginal besser gegen den Ball (53 Gegentore) als die Borussia (56 Gegentore) – und der Erfolg kam über Tore vorne.

Auch in der Saison 19/20 kassierte Eintracht Frankfurt unter Hütter 60 Gegentore. Einzig in Hütters erstem Jahr, als die Eintracht noch stark auf das defensiv-fokussierte Spiel von Niko Kovac eingestellt war, konnte man mit 48 Gegentoren einen stabilen Wert vorweisen.

Die Eintracht reagierte passend und holte mit Oliver Glasner einen defensiv orientierten Trainer, der zwar seine Probleme hatte, die Defensive nach Hütter zu stabilisieren, mit 49 Gegentoren jedoch einen ersten Schritt machte. Hütters Gladbacher kassierten satte 61 Gegentore – drittschlechtester Wert der Liga.

Von „Borussia Barca“ zu Borussia Atletico

Doch der entscheidende Punkt ist, dass Adi Hütter es nicht schaffte, die Mannschaft von seiner Philosophie zu überzeugen. Das mag daran liegen, dass er nicht der „Menschenfänger“ ist, für den er von manchen gehalten wird. Detaillierte Recherchen Eberls dürften ergeben haben, dass Hütter auch in Frankfurt hin und wieder aneckte (Stichwort Danny da Costa).

Vor allem aber konnte Hütter spielerisch nicht überzeugen. Der Verein, der für „Borussia Barca“ stand, spielte viel mehr Borussia Atletico. Lange Bälle, Pressing hinterher, Kampf und Physis. Das ist mitnichten ein schlechter Ansatz, auch Atletico Madrid gewinnt sehr viel. Aber dafür steht der Verein nicht – und dafür stehen die Spieler nicht. Es ist also nicht verwunderlich, dass Hütter die Motivation der Mannschaft verlor.

Was Hütter stark von Atletico unterscheidet, ist vor allem die generelle Spielausrichtung: Der Kampf-Fußball wird unter ihm sehr offensiv statt defensiv orientiert gespielt. Hier könnte es tatsächlich ein „Missverständnis“ gegeben haben: Eberl möchte Borussias „attraktiven Fußball“ fördern, was im Spiel mit Ball und der Spielgestaltung seinen Ursprung hat. Hütters „attraktiver Fußball“ hat vor allem mit vielen Toren und Spektakel zu tun.

Die Frage ist jedoch nicht, wo sich Borussia und Hütter missverstanden haben, sondern an welcher Stelle Max Eberl diese Fehleinschätzung untergekommen ist. Adi Hütter ist kein schlechter Trainer, nur weil er in Gladbach gescheitert ist. Aber er ist ein Trainer, der weder menschlich noch fußballerisch zum Verein und den Spielern passte. Sein Scheitern war vorherzusehen.

Wer bringt Barcelona nach Mönchengladbach?

Die große Frage ist: Wer passt besser? Dabei drängt sich schon länger Lucien Favre auf. Und das liegt nicht nur an der Zeit, die den Spitznamen „Borussia Barcelona“ rechtfertigte. Dabei geht es nicht um Nostalgie. Es geht darum, Strukturen zu schaffen und Grundlagen aufzubauen. Favre überzeugt seine Spieler nicht unbedingt durch sein persönliches Auftreten, sondern durch seine Expertise. Er ist ein akribischer Arbeiter und kann die Fohlen auf den „Borussia-Weg“ zurückführen.

Ein weiterer Name in der Gerüchteküche ist Daniel Farke. Farke wäre ein Zugeständnis – nicht an Spieler, Fans oder Verein, sondern an Eberls Idee, das Pressing als neuen Spielfokus in die Borussia-Philosophie einzupflegen. Norwich spielte unter Farke ein sehr strukturiertes und taktiertes Pressing nach vorne. Im modernen Fußball geht es ohnehin kaum noch ohne Pressing-Plan.

Gleichzeitig zeigte Farke, dass sein Team mit Ballbesitz umgehen kann und er mit der Mannschaft klare Ideen entwickelt, wie man die Spielgestaltung übernimmt. Die Spieler sollen zwar so oft wie möglich schnell und vertikal spielen, jedoch ist man nicht auf dieses Spiel angewiesen. „Wenn ich könnte, hätte ich gerne 90 Minuten lang den Ball“, beschrieb er selbst seine Philosophie. (BorussiaExplained: Würde der Trainer Daniel Farke zu den Fohlen passen?)

Wer auch immer bei der Borussia übernimmt: Unter dem neuen Cheftrainer sollte die Borussia wieder auf den alten Weg zurückfinden. Attraktiver, spielstarker Fußball begeistert nicht nur die Fans, sondern auch die Spieler. Er begeistert den Verein und wird auch in der zuletzt sehr Pressing-fokussierten Bundesliga sehr positiven Anklang finden.

Leseempfehlung:
Bei Borussia Mönchengladbach zum Profi? Arne Michaelis im Interview
Johannes Flum: Ein „sehr guter Fußballer“ beendet seine Karriere

Quelle Titelbild: Borussia Mönchengladbach

Autor: Nik Staiger (Twitter @Nik_Staiger)

3 Kommentare

  1. Der Abgang Max Eberls nach 13 Jahren tut der Borussia gut. Er hat in den letzten drei Jahren keine glückliche Hand mehr bei seinen Entscheidungen. Es kann jetzt nur noch besser werden. Deshalb könnte ich mir Favre schon als möglichen Trainer vorstellen, er hatte es ja schon mal hingekriegt. Nur sein Abgang von damals ist mir noch in negativer Erinnerung.

  2. Pingback: Problem Eigengewächse: Eintracht Frankfurts Champions League-Kader

  3. Pingback: Götze da, Alario unterwegs - und der Eintracht-Kader?

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.