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Technik, Taktik, Tempo – Frauenfußball im Faktencheck

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Frauenfußball ist längst mehr als ein Nischensport. Mit Blick auf die UEFA Women’s Euro 2025, die im Sommer in der Schweiz ausgetragen wird, rückt das Thema stärker denn je in den medialen Fokus.

Doch trotz der wachsenden Aufmerksamkeit bleibt der Vergleich mit dem Männerfußball unausweichlich – ob in puncto Technik, Bezahlung oder gesellschaftlicher Wahrnehmung. Dieser Artikel beleuchtet Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf fundierter Grundlage, ergänzt durch aktuelle Studien, Erfahrungsberichte und Stimmen aus dem Sport.

Physiologische Grundlagen und sportliche Unterschiede

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass Frauenfußball per se „langsamer“ oder „weniger intensiv“ sei als der Männerfußball. Dabei spielen hier vor allem physiologische Unterschiede eine Rolle. Frauen besitzen im Schnitt etwa 30 Prozent weniger Muskelmasse als Männer, was sich auf Sprungkraft, Sprintgeschwindigkeit und Schusskraft auswirkt. Wie die Sportwissenschaftlerin Dr. Petra Platen erklärt, „sind Frauen nicht weniger leistungsfähig, sondern ihr Körper bringt unter denselben Voraussetzungen andere Anpassungsreaktionen hervor“.

Zudem ist der Energieaufwand durch gleiche Feldgrößen, Torhöhen und Ballgewichte für Frauen sogar höher. Eine Studie des SRF-Formats „Einstein“ kam zu dem Ergebnis, dass ein Mann im Verhältnis zur Körpergröße eigentlich ein größeres Tor bräuchte, um sich den gleichen Anforderungen wie eine Torhüterin stellen zu müssen. Das unterstreicht, dass die Leistungen von Fußballerinnen nicht geringer, sondern im Kontext ihrer körperlichen Voraussetzungen sogar besonders bemerkenswert sind.

Spielanalysen zeigen, dass Frauen tendenziell mehr Torschüsse abgeben, dabei aber eine geringere Chancenverwertung aufweisen. Passquoten und Ballkontrolle liegen leicht unter denen der Männer, was aber keineswegs auf fehlende Qualität hindeutet. Vielmehr lassen sich diese Unterschiede durch physische Unterschiede und teilweise unterschiedliche taktische Ausrichtungen erklären.

Spielstil, Taktik und technische Entwicklungen

Im Vergleich mit dem Männerfußball setzen viele Frauenmannschaften verstärkt auf kollektives Spiel, präzises Passspiel und taktische Disziplin. Einzelne Stars stechen seltener spektakulär hervor, doch gerade das Teamspiel rückt in den Vordergrund. „Wir spielen vielleicht weniger körperbetont, aber dafür oft intelligenter und vorausschauender“, sagte Nationalspielerin Marina Hegering einmal in einem Interview.

Technisch hat der Frauenfußball in den letzten Jahren deutlich aufgeholt. Immer mehr Teams verfügen über professionelles Trainerpersonal, moderne Trainingsinfrastruktur und datenbasiertes Spielverständnis. Die Champions-League-Spiele der Frauen – etwa zwischen dem FC Barcelona und Olympique Lyon – zeigen heute bereits Fußball auf höchstem europäischen Niveau.

Gleiches Engagement – gleiche Leidenschaft

Was oft übersehen wird: Die emotionale Tiefe, taktische Raffinesse und der Ehrgeiz sind im Frauen- wie im Männerfußball gleichermaßen vorhanden. Zuschauer, die ein Fußballspiel gesehen haben, ohne zu wissen, ob Männer oder Frauen spielen, bewerten Spielszenen weitgehend identisch. Das ergab eine Studie der Universität Salzburg in Kooperation mit dem APA Science Network.

„Ich gehe genauso mit Adrenalin aufs Feld wie jeder Mann“, sagte Sjoeke Nüsken, Mittelfeldspielerin bei Chelsea und DFB-Nationalspielerin, vor Beginn der EM-Vorbereitung. Diese Aussage unterstreicht, dass Leidenschaft, Teamgeist und sportlicher Ehrgeiz nicht geschlechterspezifisch sind.

Mediale Wahrnehmung und Diskurs

Während die Reichweite des Männerfußballs weltweit gigantisch ist, kämpft der Frauenfußball immer noch um Anerkennung. Doch die Entwicklung geht voran: Die EM 2022 in England lockte über 87.000 Zuschauer ins Wembley-Stadion – ein neuer Rekord für ein EM-Finale, Männer eingeschlossen. Auch für 2025 erwartet der Veranstalter in der Schweiz hohe Einschaltquoten und volle Stadien.

Trotzdem ist der mediale Diskurs oft geprägt von Sprache, die Frauen im Fußball markiert: „Mädels“, „Frauen-Team“, „SpielerINNEN“. Diese Marker schaffen Distanz und suggerieren, dass Frauenfußball eine Art „Sonderform“ sei. Studien der Universität Uppsala (2021) haben nachgewiesen, dass weibliche Fußballerinnen in Medien seltener mit Nachnamen genannt werden und seltener eigene Headlines erhalten – ein Muster, das sich schleichend auf die öffentliche Wahrnehmung auswirkt.

Ein weiterer Aspekt ist die „gesellschaftliche Brille“, mit der Frauenfußball betrachtet wird. Während männliche Profis oft ausschließlich nach Leistung beurteilt werden, stehen bei Fußballerinnen auch Aussehen, Persönlichkeit oder sogar ihre Rolle als Mutter oder Partnerin im Fokus. Auch Sjoeke Nüsken sagte in einem Gespräch mit dem RND: „Ich bin Fußballerin, aber ich werde auch als Frau repräsentiert – da gibt es einfach einen anderen Blick auf uns.“

Strukturelle Unterschiede in Finanzierung und Infrastruktur

Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht die strukturelle Diskrepanz: Während Spieler der deutschen Nationalmannschaft 2022 bis zu 400.000 Euro Prämie für einen EM-Titel erhalten hätten, liegt die mögliche Maximalprämie für DFB-Frauen bei der EM 2025 bei 120.000 Euro. Das ist zwar eine deutliche Steigerung gegenüber früheren Turnieren – zur EM 2009 gab es gerade mal 12.000 Euro –, bleibt aber hinter dem Männerbereich zurück.

Auch im Vereinsfußball ist das Gefälle deutlich. Viele Bundesligaspielerinnen müssen nebenher arbeiten oder studieren, da ihre Verträge keine Vollzeitlöhne hergeben. Zwar bauen Clubs wie der VfL Wolfsburg oder der FC Bayern München inzwischen leistungsfähige Strukturen für Frauen auf, doch die Breite fehlt. Das soll sich ab der Saison 2025/26 ändern: Die Frauen-Bundesliga wird auf 14 Teams erweitert – ein Schritt hin zur Professionalisierung.

Sponsoreneinnahmen und TV-Verträge sind bei den Männern nach wie vor ein Vielfaches höher. Dabei gibt es Ansätze zur Veränderung: Die UEFA investiert zunehmend gezielt in den Frauenbereich, und die FIFA kündigte an, Frauen-WM-Preisgelder anzugleichen. Doch der Weg ist weit, auch was Gleichstellung auf Vereins- und Verbandsebene betrifft.

Kultureller Wandel und gesellschaftliche Perspektiven

Der Frauenfußball verändert sich – nicht nur sportlich, sondern auch kulturell. Er ist ein Symbol für Emanzipation, Gleichstellung und moderne Rollenbilder geworden. Die jüngsten Erfolge der Nationalteams, die gestiegene Medienpräsenz und das wachsende Faninteresse zeigen: Es gibt ein Bedürfnis nach Vielfalt im Profifußball.

Zugleich kämpfen Spielerinnen mit Rollenzwängen: Wer sich zu feminin zeigt, gilt schnell als „nicht ernsthaft“, wer sich maskulin gibt, muss sich für ihre Identität rechtfertigen. Diese Dynamiken sind Ausdruck einer Gesellschaft im Wandel – in der der Frauenfußball nicht nur Sport, sondern auch Spiegel der Genderdebatte ist.

„Wir wollen nicht nur die kleinen Schwestern sein“, so die ehemalige Nationalspielerin Celia Šašić. Vielmehr sei es an der Zeit, den Fußball in seiner Vielfalt zu sehen – nicht als Duell Männer gegen Frauen, sondern als gemeinsames Spielfeld mit unterschiedlichen Ausdrucksformen.

Zwei Formen des gleichen Spiels

Frauen- und Männerfußball unterscheiden sich – in Muskelstruktur, Spielgeschwindigkeit, öffentlicher Wahrnehmung und Bezahlung. Doch sie teilen weit mehr: die Leidenschaft, das Streben nach Erfolg, das Taktikverständnis, die Spielfreude. Der Frauenfußball ist kein „Abbild“ des Männerfußballs, sondern eine eigenständige, gleichwertige Ausprägung derselben Sportart.

Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, wie sich der Frauenfußball weiterentwickelt. Sichtbarkeit, Professionalisierung und Respekt sind die Schlagworte einer neuen Ära. Und wer das nächste Mal ein Spiel sieht, sollte sich nicht fragen, ob Männer oder Frauen spielen – sondern, ob es guter Fußball ist. Denn darin sind sich beide Formen des Spiels längst ebenbürtig.

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