Zwischen Bibel und Ball – Evangelikale im Profifußball
In Zeiten, in denen Fußball nicht nur Sport, sondern Kultur-, Medien- und Glaubensfenster ist, rücken evangelikale Netzwerke und ihr Einfluss auf den Fußball stärker ins Licht. Dieser Artikel beleuchtet die deutschen wie internationalen Strukturen, Akteure und Debatten rund um die Verbindung von evangelikalem Christentum und Sport.
Evangelikale Strukturen & Reichweite
Evangelikale Netzwerke wie die World Evangelical Alliance (WEA) und ihre europäischen bzw. deutschen Ausprägungen organisieren weltweit Gemeindearbeit, Missionsprojekte und mediale Präsenz. Auch Fußball wird zur Plattform: vom Schulbesuch evangelikaler Influencer bis zur Publikumsansprache in Sportvereinen. „Fußball mit Vision“ etwa präsentiert Profifußballer in Schulen und versteht dies als evangelikale Mission. Hier findest du mehr zu den Hintergründen der Evangelikalen.
Evangelikale Räume im deutschen Fußball
Hauskreise, Mentoren & Profis
Viele Profis vermeiden klassische Kirchen und versammeln sich stattdessen in Hauskreisen – privat und flexibel organisiert. Torsten Berger (SRS) erklärt:
„Zunächst muss man festhalten, dass es der Beruf des Fußballspielers kaum zulässt, am Sonntagmorgen in die Kirche zu gehen. […] Die Hauskreise sind somit häufig der einzige Ort, wo man sich in geeigneter Form austauschen kann.“
Mentoren begleiten diese Gruppen, vermitteln Vertrauen, aber keine Abhängigkeiten:
„Der Mentor … investiert seine Zeit … und erwartet keine Gegenleistung. […] Das ist ein Angebot, um mit den Profis in einen Dialog zu treten.“
Fanclubs & kirchliche Projekte
Evangelikale Faninitiativen wie die „Holy Bulls“ in Leipzig oder „Mit Gott auf Schalke“ vernetzen gläubige Fans, fördern Fairplay und sozialen Zusammenhalt. Auch kirchliche Arbeitskreise bieten Plattformen: Kirchenplattformen wie „Fußball‑beGEISTert“ und „Host4Euro“ zur EM‑2024 vernetzen Gemeinden, bieten Materialien, Gottesdienste und Gastgeberangebote. Thorsten Latzel betont:
„Wir wollen zeigen, dass wir für einen Sport stehen, der wirklich der Völkerverständigung und offenen Begegnungen dient.“
Gottesdienste & Ritus im öffentlichen Raum
Generalvikar Klaus Pfeffer feierte vor der EM 2024 einen Gottesdienst auf der Glückauf‑Kampfbahn und erläuterte:
„Fußball trägt dazu bei, Menschen und Regionen zu stärken […]. […] Wir müssen all denen die ‘rote Karte’ zeigen, die den Fußball dazu missbrauchen, um Hass und Gewalt zu verbreiten.“
Die Stadionkapellen in Schalke oder Berlin bieten Raum für Taufen, Andachten und kirchliche Veranstaltungen – eingebettet ins direkte Fußballumfeld.
Fallbeispiele: Profis & Clubs
VfB Stuttgart – Glaube im Team
Beim VfB Stuttgart spielen Glaube und Gemeinschaft eine zentrale Rolle. Spieler wie Chris Führich und Justin Diehl beten gemeinsam vor dem Spiel, zeigen Bibel und Tattoo, und bringen ihre Überzeugungen offen in den Verein ein. Diehl sagte nach seinem ersten Bundesliga-Tor:
„Zuallererst möchte ich meinem Herrn Jesus Christus danken.“
Führichs Geste: mit dem Finger in Richtung Himmel – nicht symbolisch, sondern Ausdruck eines gelebten Glaubens im Mannschaftskontext. Dan‑Axel Zagadou erklärte:
„Mein christlicher Glaube schenkt mir Frieden […]. Ich bete täglich und lese viel in der Bibel.“
Internationale Perspektive: Kingsley Ehizibue
Auch international finden sich evangelikale Spieler: Kingsley Ehizibue etwa besucht regelmäßig die Hillsong Church und andere evangelikale Gemeinden. Solche Spieler sind Teil globaler Netzwerke, die Fußball als Glaubensplattform nutzen.
Evangelikale Medienarbeit & Influencer
Initiativen wie „Fußball mit Vision“ und „Ballers in God“ posten regelmäßig Content über gläubige Fußballer, erzählen deren persönlichen Glaubensgeschichten und organisieren Schul‑Events. Die Tagesschau berichtet kritisch:
„Manche Fußballer gehören inzwischen evangelikalen Freikirchen an, die oft ein frauenfeindliches, homophobes Weltbild vertreten und auch missionarisch tätig sind.“
Mediale Reaktionen wie des NDR und der F.A.Z. zeigen Spannungen zwischen Glaubensfreiheit und Aufgabe journalistischer Distanz.
Kritik & Herausforderungen
Diskussionen drehen sich um potenzielle Risiken: Missionierung im Umfeld von Schulen und Vereinen, konservative Weltbilder und Identifikation durch Fans. Die Kritik zielt teils auf problematische Wertehaltungen einzelner evangelikaler Gemeinschaften sowie deren Einfluss auf impressionable junge Zielgruppen.
Von evangelischer Seite wie Felmberg gibt es dafür klare Grenzen:
„Wenn man Räume öffnet […], dann ist das wunderbar. […] Aber es sozusagen jetzt in einer offensiven Art zu nutzen, wo man andere Menschen bedrängt, ist … nicht der richtige Weg.“
Analyse & Wirkung
- Teamkultur: Glaube schafft verbindliche Rituale, Vertrauen und Gruppenzusammenhalt – mit Mentalitätswirkung.
- Gesellschaftliche Dimension: Evangelikale Netzwerke agieren oft transnational; Fußball wird zu Bühne für Identität, Mission und Wertevermittlung.
- Medienstrategie: Influencer und geläufige Spielerposts verbreiten religiöse Botschaften viral und stärken Netzwerke global.
Fußball als Teil einer missionarischen Lebenshaltung
Evangelikale Netzwerke nutzen den Fußball bewusst – als Plattform für Glaubensausdruck, Gemeinschaft und Wertevermittlung. In Deutschland wie international bilden sie mediale und soziale Strukturen, die Fußball mehr als Sport begreifen: als Teil einer missionarischen Lebenshaltung. Der VfB Stuttgart und internationale Profis wie Ehizibue bestätigen diese Verbindung zwischen Privatglauben und öffentlicher Position.
Zukünftig ist mit einer weiteren Professionalisierung zu rechnen…