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Gender Pay Gap im Frauenfußball: Eine Frage der Gerechtigkeit

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Der Frauenfußball hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Großereignisse wie die EM 2022 oder die WM 2023 zogen Millionen Zuschauer an, Spielerinnen wie Alexandra Popp, Lena Oberdorf oder Giulia Gwinn sind zu bekannten Gesichtern in der Öffentlichkeit geworden.

Und doch bleibt ein zentraler Missstand bestehen: die gravierende Lohnlücke zwischen Frauen und Männern im Profifußball. Während männliche Profis teils Millionen pro Jahr verdienen, müssen viele Fußballerinnen trotz Spitzenleistungen nebenbei arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Gender Pay Gap ist im Fußball besonders deutlich – und hochaktuell.

Der Gender Pay Gap im Fokus

Der Begriff „Gender Pay Gap“ beschreibt die durchschnittliche Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. In kaum einem Berufsfeld ist dieser Unterschied so sichtbar wie im professionellen Fußball. Denn obwohl Spielerinnen zunehmend für sportliche Erfolge sorgen und die mediale Aufmerksamkeit steigt, sind ihre Gehälter noch immer ein Bruchteil dessen, was ihre männlichen Kollegen verdienen.

Ein Blick auf die Zahlen macht das Ausmaß deutlich: Während Spieler der Männer-Bundesliga im Durchschnitt rund 1,3 Millionen Euro jährlich verdienen, erhalten Spielerinnen in der Frauen-Bundesliga laut DFB durchschnittlich rund 4.000 Euro brutto im Monat – also rund 48.000 Euro im Jahr. Nur wenige Topspielerinnen wie Alexandra Popp oder Lina Magull erreichen durch Werbeverträge und Prämien die Marke von 300.000 Euro jährlich. Das ist weniger als das Wochengehalt vieler männlicher Nationalspieler.

Fakten und Vergleiche: Der Status quo in Deutschland

Ein besonders aufschlussreiches Beispiel liefert die Berichterstattung von t-online im Mai 2024: Die Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft erhielten zur WM 2023 eine Prämie von 30.000 Euro für das Erreichen des Viertelfinales. Zum Vergleich: Wären die Männer 2022 in Katar ins Finale eingezogen, hätten ihnen 400.000 Euro pro Kopf zugestanden – über das 13-Fache.

Zudem arbeiten mehr als die Hälfte der Bundesligaspielerinnen neben dem Sport in anderen Berufen oder absolvieren Ausbildungen oder Studiengänge. Fußball ist für viele Spielerinnen kein Beruf, sondern ein zeitintensives Hobby – trotz 20- bis 30-stündigem Training pro Woche.

Ursachen des Gender Pay Gaps im Fußball

Warum verdienen Frauen im Fußball so viel weniger? Die Gründe sind komplex:

  • Unterschiedliche Einnahmestrukturen: Der DFB und die Vereine argumentieren häufig, dass der Männerfußball mehr Einnahmen generiert – etwa durch TV-Rechte, Merchandising, Sponsoring und Ticketverkäufe. Diese Differenz wird als ökonomische Grundlage für die Gehaltsunterschiede herangezogen.
  • Fehlende Professionalisierung: Während Männervereine meist hochprofessionell organisiert sind, herrscht in der Frauen-Bundesliga vielfach noch Halbprofessionalisierung. Nicht alle Vereine bieten ihren Spielerinnen Vollzeitverträge. Infrastruktur, medizinische Betreuung und Trainingsbedingungen sind oft nicht auf dem Niveau des Männerbereichs.
  • Mediale und gesellschaftliche Wahrnehmung: Frauenfußball wird noch immer seltener im Fernsehen übertragen, erhält geringere Sendezeiten und weniger Schlagzeilen. Diese geringere Sichtbarkeit führt zu weniger Sponsoring und geringeren Werbeeinnahmen – ein Teufelskreis, der sich auf die Bezahlung auswirkt.
  • Historische Benachteiligung: Noch bis 1970 war Frauenfußball in Deutschland offiziell vom DFB verboten. Diese historische Abwertung wirkt bis heute nach – strukturell und kulturell.

Internationale Perspektiven: Wer es besser macht

Während Deutschland sich noch schwer tut mit einer umfassenden Gleichstellung, zeigen andere Länder, wie es besser gehen kann:

  • USA: Bereits 2022 vereinbarten der amerikanische Fußballverband US Soccer und die Spieler*innen-Gewerkschaften eine Gleichstellung der Prämien für Männer- und Frauenteams. Die Nationalspielerinnen erhalten nun identische Boni, Reisebedingungen und Betreuung wie die Männer.
  • Norwegen: Schon 2017 wurde dort Equal Pay für die Nationalmannschaften eingeführt. Die Männer verzichteten sogar freiwillig auf einen Teil ihrer Einnahmen, um die Gleichstellung zu ermöglichen.
  • Spanien: Nach monatelangen Streiks und Protesten unterzeichneten die Spielerinnen der Primera División Femenina 2023 einen Tarifvertrag, der Mindestgehälter, Versicherungsschutz und Mutterschutz garantiert.

Diese Länder setzen Zeichen – und zeigen, dass politische und gesellschaftliche Entschlossenheit Veränderungen ermöglichen kann.

Stimmen aus dem Frauenfußball: Forderungen und Erfahrungen

Immer mehr prominente Stimmen fordern ein Ende der finanziellen Ungleichheit:

  • Martina Voss-Tecklenburg: Die ehemalige Bundestrainerin äußerte sich bereits mehrfach deutlich: „Es geht nicht darum, dass Frauen genauso viel wie Männer verdienen – sondern darum, dass sie von ihrer Leistung leben können.“ Sie fordert Mindestgehälter und bessere Ausbildungsförderung.
  • Giulia Gwinn: Die Nationalspielerin und Publikumsliebling plädiert für mehr Sichtbarkeit: „Gleiche Bedingungen bedeuten nicht nur gleiche Bezahlung, sondern auch gleiche Wertschätzung. Wir brauchen professionelle Strukturen und eine echte Bühne.“
  • Inka Grings: Die Ex-Nationalspielerin und heutige Trainerin sagte in einem Interview: „Die Ungleichbehandlung ist nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen endlich Equal Pay – nicht nur symbolisch, sondern real.“

Politik und Gesellschaft: Druck wächst

Die öffentliche Debatte um den Gender Pay Gap ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Laut einer Umfrage von Statista aus dem Jahr 2024 befürworten 67 % der Deutschen eine gleiche Bezahlung der Nationalteams. Besonders bei jüngeren Menschen ist die Zustimmung zur Gleichstellung hoch.

Auch die Politik positioniert sich zunehmend: Bundeskanzler Olaf Scholz forderte öffentlich Equal Pay für die Nationalteams. Der DFB reagierte darauf ausweichend – verwies auf Einnahmedifferenzen und verweigerte bislang eine Gleichstellung bei Prämien.

Trotzdem zeigen Initiativen wie #EqualGame oder Projekte von Sponsoren, dass sich gesellschaftlich etwas bewegt. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass Gleichberechtigung ein zukunftsfähiges Markenversprechen ist – auch im Sport.

Was sich ändern muss: Perspektiven und Empfehlungen

Der Weg zur Gleichstellung im Fußball ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Doch es gibt konkrete Maßnahmen, die eine faire Bezahlung realistischer machen:

  • Mindestgehälter und Tarifverträge: Ein branchenweiter Mindestlohn für Fußballerinnen, wie ihn Spanien eingeführt hat, würde die wirtschaftliche Grundlage verbessern.
  • Professionalisierung der Vereine: Der DFB sollte Lizenzbedingungen verschärfen und professionelle Strukturen in der Bundesliga zur Pflicht machen – inklusive medizinischer Betreuung, hauptamtlicher Trainerteams und Vollzeitverträgen.
  • Mehr mediale Präsenz: Frauenfußball braucht regelmäßige Sendeplätze in der Primetime, besseres Marketing und stärkere Öffentlichkeitsarbeit. Auch Influencer*innen und Spielerinnen selbst können hier eine Rolle spielen.
  • Öffentliche und politische Unterstützung: Gleichstellung sollte auch politisch gefördert werden – etwa durch steuerliche Anreize für gleichbezahlende Vereine oder gezielte Förderprogramme.
  • Vorbilder und Vorreiter stärken: Länder wie Norwegen oder die USA zeigen, dass es möglich ist, Equal Pay durchzusetzen – wenn der Wille da ist. Deutschland muss dem folgen, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Der Ball liegt im Feld des DFB – und der Gesellschaft

Der Gender Pay Gap im Frauenfußball ist Ausdruck einer tieferliegenden gesellschaftlichen Ungleichheit. Die Spielerinnen leisten sportlich Herausragendes – und verdienen dafür Anerkennung, Respekt und faire Bezahlung. Es geht nicht nur um Geld, sondern um Gerechtigkeit, Sichtbarkeit und Selbstbestimmung.

Die gute Nachricht: Der Wandel hat begonnen. Der öffentliche Druck wächst, Spielerinnen erheben ihre Stimme, Medien berichten zunehmend differenziert. Doch es braucht noch mehr – mehr Mut von Verbänden, mehr Verantwortung von Sponsoren, mehr Haltung von der Politik. Nur dann kann sich der Fußball auch beim Thema Gleichstellung zur wahren Teamsportart entwickeln.

Denn am Ende zählt nicht das Geschlecht auf dem Trikot – sondern die Leistung auf dem Platz.

Ein Kommentar

  1. Die USA taugen mal wirklich garnicht als positives Beispiel für Equal Pay.
    Dort haben die Frauen sich noch mehr Vergünstigungen erstritten, nachdem gerichtlich festgestellt wurde, dass die Frauen ohnehin schon mehr Vergütungen erhalten als die Männer.

    Was hierzulande aber endlich her muss, ist ein Mindestgehalt wie bei den Männern, dass sich dort mWn automatisch an die Beitragsbemessungsgrenze für die Sozialversicherung anpasst und zurzeit bei ca. 4.000€ brutto liegt.
    Die Frauen verkaufen sich mit ihren Forderungen von ca. 3.000€ brutto also deutlich unter Wert.

    Ohne Mindestlohn geht es einfach nicht und ich verweise bei der Diskussion um einen Mindestlohn gerne auf die Männer.

    Die waren bis zur Einführung der Bundesliga international komplett chancenlos, besonders gegen Teams aus Ligen mit Profistatus wie England, Schottland und Spanien. In KO-Spielen konnte man immer mal wieder Achtungserfolge erzielen, oft unter Hilfe von Doping. Aber wirklich was reißen konnte man nie.

    Mit Einführung der Bundesliga hatte sich das aber schlagartig geändert und innerhalb nur weniger Jahre hatte man nicht nur Anschluss an die europäische Elite gefunden, sondern man war selbst das Maß aller Dinge.

    Mit einem Mindestlohn könnten sich die Frauen Vollzeit auf den Sport konzentrieren, was besseres Training in allen Bereichen bedeutet. Besseres Training führt zu besserem Fussball, führt zu mehr Faninteresse, führt zu mehr Sponsoring- und Merchandiseeinnahmen, führt zu noch besseren Trainingsbedingungen…

    Man sieht diesen Effekt in jeder anderen Sportart überall auf der Welt. Nur im Frauenfussball, da ist das angeblich naturgegeben und mehr Geld führt nicht zu besserem Sport.

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