Karriereende – Optionen für Fußball-Profis nach dem Auslaufen der aktiven Laufbahn
Das Ende der aktiven Laufbahn ist für viele Profifußballer ein Wendepunkt – emotional, beruflich und finanziell. War der Fußball eine bis dahin dominierende Identität, schließt sich plötzlich eine Leere. Doch das „Karriereende“ bedeutet keineswegs Stillstand: Vielmehr bietet sich die Chance zum Neustart – in Form von Weiterbildung, neuen Rollen im Verein, Medien oder Unternehmertum. Dieser Artikel beleuchtet aktuelle Programme wie die Player’s Pathway‑Initiativen des DFB/DFL – mit Pilotstart im Herbst 2025 – sowie psychologische, finanzielle und individuelle Wege nach der Spielzeit.
Warum das Karriereende so kritisch ist
Finanzielle und psychische Risiken
Eine vom VDV beauftragte Studie zeigt: Nur rund jeder vierte Profi befasst sich ernsthaft mit seiner beruflichen Zukunft. Etwa jeder Zweite verfügt über keine Qualifikation. Laut VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky: „Unsere Erhebungen zeigen, dass rund jeder zweite Profi weder über eine berufliche Qualifikation verfügt noch dabei ist, eine solche zu erwerben.“
Psychische Belastungen nehmen ebenfalls zu: Depressionen (26 %), Schlafstörungen (21 %) und Alkoholmissbrauch (21 %) sind häufig. Sportpsychiater Dr. Tobias Freyer bezeichnet das Karriereende als „einschneidendes Live Event“ und betont die Bedeutung einer frühzeitigen psychologischen Begleitung.
Mangelnde Prävention in Vereinen
Nur etwa 15 % der Profimannschaften bieten eine feste sportpsychologische Betreuung. Die VDV-Initiative „Mental Gestärkt“ bietet externe Beratung, doch oft fehlt der direkte Kontakt innerhalb des Vereins.
Strukturelle Hilfen & Initiativen
Player’s Pathway‑Programme von DFB & DFL
Ab Herbst 2025 richten sich die Player’s Pathway‑Programme an aktive oder ehemalige Profis:
- Management: Drei Module à zwei Monate, inklusive Präsenzphasen. Inhalte: Führung, Scouting, Sportpsychologie.
- Trainer*in: C- und B-Lizenz, acht Monate. Praxisnah und angepasst an aktive Karrieren.
Die Programme ermöglichen eine strukturierte Neuorientierung mit Netzwerkmöglichkeiten und individuellem Coaching.
Unterstützung durch VDV & „Mental Gestärkt“
Die Spielergewerkschaft VDV unterstützt bei Laufbahnberatung, Krisenhilfe und Psychotherapie. In Zusammenarbeit mit der Robert-Enke-Stiftung ist „Mental Gestärkt“ eine wichtige Anlaufstelle bei psychischer Belastung.
Vereinsnahe Angebote und Coaching
Programme wie „Tivela“ helfen aktiven Spielern bei Selbstvermarktung, Persönlichkeitsentwicklung und beruflicher Orientierung – oft gefördert durch Vereine oder externe Coaches.
Mögliche Karrierewege für Ex‑Profis
Trainerlaufbahn
Viele Ex-Profis finden ihren Weg auf die Trainerbank. Beispiele sind Markus Babbel, Niko Kovač, Domenico Tedesco oder Stefan Kuntz. Die Pathway-Programme bieten strukturierten Einstieg durch Lizenzangebote und Mentoring.
Management und Administration
Ehemalige Spieler wie Marcel Schäfer, Arne Friedrich oder Simon Rolfes sind in leitenden Rollen im Vereinsmanagement aktiv. Die Management-Module der DFB-Akademie bieten praxisnahe Vorbereitung.
Medien & Kommunikation
Ex-Profis wie Oliver Kahn oder Mehmet Scholl nutzen ihre Erfahrung im Fernsehen als Experten oder Moderatoren – ein beliebter und publikumsnaher Weg.
Unternehmertum & Investitionen
Viele Profis investieren in Start-ups oder gründen eigene Firmen. Martin Männel (FC Erzgebirge Aue) etwa gründete parallel zur Karriere ein Unternehmen für Mähroboter und absolvierte ein Studium – ein Paradebeispiel für gelungene Dualplanung.
Studium & Weiterbildung
Sportmanagement, Psychologie, BWL oder Kommunikation – Fernstudiengänge sind beliebt und lassen sich gut mit dem Fußballalltag kombinieren. Oft gibt es Förderungen oder Kooperationen mit Hochschulen.
Ehrenamt & Amateursport
Ehemalige Profis engagieren sich als Jugendtrainer, im Ehrenamt oder als Schiedsrichter. So bleiben sie dem Sport verbunden und erfahren Sinnstiftung außerhalb des Rampenlichts.
Fallbeispiele
Martin Männel
Der Aue-Torwart gründete ein Unternehmen, absolvierte ein Fernstudium und plant seine Zukunft unabhängig vom Fußball. Zitat: „Ich will vom Fußball unabhängig sein.“
Toni Kroos
Nach seiner Karriere gründete Kroos unter anderem die Sportplattform „Icon League“ und engagiert sich im Event- und Marketingbereich. Eine klassische Karriere als Trainer strebt er bewusst nicht an.
Trainererfolge ehemaliger Profis
Babbel, Tedesco, Tuchel – viele Trainer der Spitzenklasse begannen ihre zweite Karriere auf Basis ihrer Spielererfahrung. Die Pathway-Programme liefern dazu heute den strukturellen Unterbau.
Psychologische & soziale Aspekte
Identitätsverlust
Ohne festen Trainingsrhythmus und Mannschaftsstruktur erleben viele Spieler eine Sinnkrise. Psychiater Dr. Freyer: „Je größer die persönliche innere Freiheit eines Athleten ist, desto ungefährlicher ist das Karriereende.“
Fehlender Support während der aktiven Zeit
Viele Vereine unterlassen systematische psychologische Vorbereitung. Dabei wäre genau dies entscheidend für eine gesunde Transformation.
Exit‑Strategien und mentale Stärke
Mentalcoach Marion Sulprizio warnt: „Eine ‚Das‑wird‑sich‑schon‑ergeben‘-Haltung … kann gefährlich sein.“ Ziel müsse ein aktiver, reflektierter Übergang in neue Rollen sein.
Empfehlungen für Spieler und Vereine
Für Spieler:innen
- Frühzeitige Planung (ab U21-Bereich)
- Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen (DFB, Fernstudiengänge)
- Psychologische Begleitung und Selbstreflexion
- Netzwerkaufbau über den Fußball hinaus
Für Vereine
- Strukturierte Bildungsangebote im Jugend- und Lizenzbereich
- Psychologische Betreuung fest im Staff verankern
- Verpflichtende Exit-Planung ab dem 25. Lebensjahr
Ein Neuanfang mit Struktur und Mut
Das Karriereende ist kein Abgrund – sondern ein Neuanfang mit Struktur und Mut. Wer die Angebote der DFB-Akademie, die Beratung der VDV oder eigene Bildungswege nutzt, kann seinen Weg nach dem Fußball gestalten. Martin Männel oder Toni Kroos sind Beweise für erfolgreiche Übergänge. Frühzeitige Vorbereitung, psychische Stabilität und Vielfalt im Denken machen den Unterschied zwischen Stillstand und Entwicklung.
Infobox: Psychische Symptome nach Karriereende (Metaanalyse)
Symptom | Ehemalige Profis (%) |
---|---|
Depressionen/Angst | ca. 26 % |
Schlafstörungen | ca. 21 % |
Alkoholmissbrauch | ca. 21 % |
Infobox: Player’s Pathway auf einen Blick
- Start: Oktober 2025
- Dauer (Management): 3 × 2 Monate (Okt–März)
- Präsenzphasen: während FIFA-Pausen
- Kosten: ca. 7.900 € (ermäßigt: ab 2.500 €)
- Voraussetzung: mind. 5 Jahre Profierfahrung (Management), 2 Jahre (Trainer)
- Inhalte: Rollenprofile, Führung, Scouting, Sportpsychologie
Zitate
„Nur jeder vierte Profi beschäftigt sich ernsthaft … mit seiner beruflichen Zukunft nach dem Profifußball.“ – Ulf Baranowsky, VDV
„Je größer die persönliche innere Freiheit eines Athleten ist, desto ungefährlicher ist das Karriereende.“ – Dr. Tobias Freyer, Sportpsychiater
„Eine ‚Das‑wird‑sich‑schon‑ergeben‘-Haltung … kann gefährlich sein.“ – Marion Sulprizio, Mentalcoach