Am 31. Mai 2025 schrieb Paris Saint-Germain Fußballgeschichte. Mit einem eindrucksvollen 5:0-Sieg über Inter Mailand im Champions-League-Finale in München sicherte sich der französische Klub erstmals den begehrten Titel in der Königsklasse. Es war nicht nur der Triumph eines Vereins, sondern insbesondere das Meisterwerk eines Trainers: Luis Enrique. Der Spanier, der bereits mit dem FC Barcelona 2015 das Triple gewonnen hatte, führte PSG mit einer klaren Vision, taktischem Feingefühl und dem Mut zum Umbruch zu einem nie dagewesenen Erfolg. Der Artikel zeichnet nach, wie Luis Enrique aus einem von Egos und Superstars geprägten Team eine funktionierende Einheit formte, die Europas Fußballthron erklomm.
Der Umbruch: Abkehr vom Starprinzip
Als Luis Enrique im Sommer 2023 das Amt des PSG-Trainers übernahm, stand er vor einem Kader voller individueller Klasse – aber ohne Titelkohärenz. Die Galáctico-Ära mit Lionel Messi, Neymar und Kylian Mbappé hatte zwar für Glamour gesorgt, aber nicht für den ersehnten Champions-League-Triumph. Enrique erkannte rasch, dass der Schlüssel zum Erfolg nicht in der Ansammlung teurer Einzelkünstler lag, sondern im Aufbau eines Teams, das sich aufopferungsvoll für gemeinsame Ziele einsetzte.
Der Abgang von Messi und Neymar war dabei mehr als nur ein personeller Schnitt – er markierte einen kulturverändernden Wendepunkt. Enrique setzte bewusst auf den Rückbau des „Bling-Bling“-Images und holte Spieler, die weniger Schlagzeilen, dafür aber umso mehr sportlichen Ehrgeiz mitbrachten. Verpflichtet wurden u. a. die jungen Ausnahmetalente Désiré Doué (19, Stade Rennes), João Neves (Benfica) und Willian Pacho (Frankfurt), die als entwicklungsfähige Leistungsträger in Erscheinung traten. Auch im bestehenden Kader verschob sich die Hierarchie: Spieler wie Warren Zaïre-Emery, Senny Mayulu und Lucas Beraldo rückten ins Zentrum des Geschehens. Luis Enrique baute ein neues PSG – nicht auf dem Fundament des Egos, sondern des Kollektivs.
Taktische Neuausrichtung unter Luis Enrique
Taktisch ging Enrique ebenfalls neue Wege. Statt auf spontane Genialität Einzelner zu setzen, installierte er ein durchdachtes, dominanzorientiertes System. Das Rückgrat bildete ein flexibles 4-3-3, das bei Bedarf in ein 3-2-4-1 oder 4-2-3-1 überging. Der Ballbesitz war nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Kontrolle. Zentrales Prinzip: schnelles Umschalten bei Ballverlust und präzises Pressing in der gegnerischen Hälfte.
Die Defensivarbeit wurde zur Mannschaftsaufgabe – angefangen bei den Stürmern. Dembélé, ehemals als launischer Solist bekannt, glänzte plötzlich durch Laufarbeit und Rückwärtsbewegung. In der Zentrale sorgten João Neves und Zaïre-Emery für die Balance zwischen Physis und Spielintelligenz. Besonders auffällig: PSG verzichtete weitgehend auf klassische „Zehner“, dafür kamen offensive Achter mit großem Aktionsradius zum Einsatz. Die Außenverteidiger – namentlich Achraf Hakimi und Nuno Mendes – agierten nicht nur als Flankengeber, sondern als zusätzliche Spielmacher im Halbraum.
Luis Enrique verstand es dabei, jeden Spieler in eine klar definierte Rolle zu bringen – ohne jedoch dessen Kreativität zu beschneiden. Diese taktische Stringenz schuf Vertrauen, Stabilität und zuletzt die Grundlage für den großen Triumph.
Der Weg zum Titel: Herausforderungen und Wendepunkte
Doch der Weg zum Henkelpott war keineswegs gradlinig. In der neu eingeführten Champions-League-Struktur mit einer Ligaphase statt klassischer Gruppenphase tat sich PSG zunächst schwer. Aus den ersten sechs Spielen holte man lediglich sieben Punkte – weit entfernt von einer Spitzenmannschaft. Kritiker zweifelten am Projekt Enrique, Medien spekulierten über seine Zukunft.
Die Wende kam im Frühjahr 2025. Im Achtelfinale traf PSG auf Manchester City – den Titelverteidiger und Favoriten. Nach einem 1:3 im Hinspiel glaubte kaum jemand an ein Weiterkommen. Doch im Rückspiel zeigte PSG erstmals, wozu das Team unter Enrique imstande war: Ein leidenschaftlicher 4:0-Heimsieg katapultierte die Pariser nicht nur ins Viertelfinale, sondern zündete auch einen psychologischen Funken. Von da an trat PSG wie verwandelt auf.
Enrique schaffte es zudem, interne Disziplinprobleme zu lösen. Vor allem Ousmane Dembélé, anfangs durch Unregelmäßigkeiten im Training auffällig, wandelte sich zum Leistungsträger. Die Kommunikation des Trainers war dabei entscheidend: Statt Sanktionen setzte Enrique auf Vertrauen, klare Erwartungen und das Vorleben von Professionalität. Diese emotionale Intelligenz schuf ein Klima, in dem sich die Spieler nicht bevormundet, sondern gefordert fühlten.
Schlüsselspieler und ihre Rollen
Der Titelgewinn war das Ergebnis einer kollektiven Meisterleistung, doch einige Akteure stachen besonders hervor. Ousmane Dembélé erlebte seine wohl beste Saison als Profi. Mit 33 Toren und 15 Vorlagen avancierte er zum Topscorer des Wettbewerbs. Im Finale gegen Inter bereitete er zwei Treffer vor und erzielte selbst ein Traumtor aus 25 Metern. Sein Tempo, seine Dribbelstärke und seine Bereitschaft zur Defensivarbeit machten ihn zum Gesicht dieses neuen PSG.
Désiré Doué, der erst im Wintertransferfenster kam, entwickelte sich zum Shootingstar der Saison. Im Finale erzielte der 19-Jährige zwei Tore und wurde zum „Man of the Match“ gekürt. Seine Unbekümmertheit, gepaart mit taktischer Reife, war sinnbildlich für das neue Selbstverständnis des Teams.
Auch in der Abwehr ragten einige Spieler heraus. Allen voran Achraf Hakimi, der in dieser Saison nicht nur sportlich, sondern auch als Führungspersönlichkeit wuchs. Mit seiner Dynamik und Passsicherheit war er Dreh- und Angelpunkt im Aufbauspiel. Daneben zeigten auch die Innenverteidiger Marquinhos und der junge Willian Pacho konstante Leistungen, unterstützt vom erneut starken Gianluigi Donnarumma im Tor.
Der historische Finalerfolg
Das Finale am 31. Mai 2025 in der Allianz Arena zu München war nicht nur ein Triumph, sondern eine Machtdemonstration. Inter Mailand, selbst defensivstark und taktisch diszipliniert, wurde von PSG förmlich überrollt. Bereits zur Halbzeit stand es 3:0. Nach dem Seitenwechsel legten Doué und Dembélé noch zwei Treffer nach. Am Ende stand ein 5:0 – die höchste Tordifferenz in einem Champions-League-Finale seit Einführung des Wettbewerbs.
Für PSG war es der erste Gewinn der Champions League, für Frankreich erst der zweite Titel nach Olympique Marseilles Erfolg 1993. Luis Enrique wurde in der Folge zum zweiten Trainer der Geschichte, der das Triple (Liga, Pokal, Champions League) mit zwei verschiedenen Vereinen gewinnen konnte – nach Pep Guardiola.
Nachwirkungen und Bedeutung des Erfolgs
Die Euphorie in Paris war grenzenlos. Über 100.000 Menschen versammelten sich auf den Champs-Élysées, um die Helden zu feiern. Bürgermeisterin Anne Hidalgo ließ den Eiffelturm in Blau-Rot illuminieren. Präsident Emmanuel Macron empfing das Team im Élysée-Palast und nannte den Erfolg einen „Sieg des französischen Fußballs“.
In den sozialen Medien forderten Fans und Experten gleichermaßen die Nominierung von Dembélé für den Ballon d’Or. Auch Doué, Neves und Zaïre-Emery gelten als potenzielle Weltstars der kommenden Jahre. PSG, einst belächelt als reicher Emporkömmling ohne Substanz, war nun an der Spitze angekommen – und das mit Stil, Strategie und Substanz.
Besonders bewegend war Luis Enriques Geste nach dem Abpfiff: Unter Tränen widmete er den Triumph seiner verstorbenen Tochter Xana, die 2019 im Alter von neun Jahren an Krebs gestorben war. „Dies ist für Xana. Sie ist immer bei mir, in jeder Entscheidung, in jedem Spiel“, sagte der sichtlich gerührte Coach.
PSG und eine neue Philosophie
Luis Enrique hat bei Paris Saint-Germain nicht einfach nur eine Mannschaft trainiert – er hat eine Philosophie etabliert. Seine Arbeit zeigt, dass nachhaltiger Erfolg im modernen Fußball nicht durch Schecks, sondern durch Struktur, Vertrauen und Teamgeist entsteht. Er formte aus einem Ensemble von Talenten ein funktionierendes Gefüge, das taktisch geschult, emotional verbunden und sportlich hungrig war.
Der Champions-League-Titel 2025 ist mehr als eine sportliche Trophäe. Er ist ein Symbol für den Wandel im Fußballgeschäft – hin zu einem neuen Verständnis von Teamführung und Kaderplanung. PSG steht nun dort, wo man sich seit Jahren sah: an der Spitze Europas. Doch anders als erwartet, nicht durch Stars, sondern durch System. Und im Zentrum dieses Systems: ein Trainer, der Fußball lebt, denkt – und menschlich führt. Luis Enrique hat Paris nicht nur einen Titel gebracht. Er hat dem Klub eine Identität geschenkt.