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Gerhard Delling – vom Sportschau-Liebling zum Justizfall

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Gerhard Delling galt über Jahrzehnte als eines der vertrautesten Gesichter der deutschen Sportberichterstattung. Gemeinsam mit Günter Netzer prägte er das öffentlich-rechtliche Fußballformat „Sportschau“ wie kein anderer – charmant, scharfzüngig, bisweilen kabbelnd.

Das Duo erhielt 2000 den Grimme-Preis für seine außergewöhnliche Kommentierung bei Fußballübertragungen. Doch 2025 erscheint Delling nicht als TV-Moderator vor Kameras, sondern als Angeklagter vor dem Landgericht Hamburg – in einem Fall, der bundesweit Aufsehen erregt. Der einstige TV-Liebling steht im Zentrum eines Entführungsdramas rund um die Erbin des Block-House-Imperiums, Christina Block, und deren Kinder.

Der Hintergrund: Sorgerechtsstreit eskaliert zur Entführung

Die juristische Tragödie, in die Delling hineingezogen wurde, beginnt mit einem jahrelangen Sorgerechtsstreit zwischen Christina Block und ihrem Ex-Mann Stephan Hensel. Das Paar hatte vier gemeinsame Kinder, darunter zwei jüngere, die seit 2021 beim Vater in Dänemark lebten. Trotz eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Hamburg, der Christina Block das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusprach, lebten die Kinder weiter in Gråsten, unweit der deutschen Grenze – ein Umstand, den Block und ihre Anwälte wiederholt kritisierten.

Laut Informationen aus dem Prozess warf Christina Block dänischen Behörden und Hensel vor, ihre Kinder zu entfremden. Es kam zu einer Eskalation. In der Nacht zum 1. Januar 2024 drangen mehrere Täter in das Haus von Stephan Hensel in Dänemark ein. Hensel wurde überwältigt, gefesselt und verletzt. Die beiden Kinder – damals 12 und 13 Jahre alt – wurden gewaltsam mitgenommen. Die Täter sollen die Kinder mit Klebeband am Mund versehen, ihnen Taschen über die Köpfe gestülpt und sie in ein Fahrzeug gezerrt haben. Die spätere Fahrt ging über Baden-Württemberg bis nach Hamburg – mutmaßlich mit Unterstützung von Gerhard Delling.

Delling unter Verdacht: Helfer oder unwissender Dritter?

Die Rolle Gerhard Dellings in diesem Fall wirft zahlreiche Fragen auf – nicht zuletzt wegen seines öffentlichen Ansehens. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zur schweren Kindesentziehung, Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie gefährlicher Körperverletzung vor. Laut Recherchen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) soll Delling sich nicht nur an der Fluchtlogistik beteiligt haben, sondern die Kinder aktiv mit versteckt haben. In einer Textnachricht an Christina Block, zitiert im RND, habe er geschrieben: „Fenster verriegeln, Gardinen zuziehen, damit die Kids nicht abhauen.“ Eine Formulierung, die in der Hauptverhandlung nun zentral diskutiert wird.

In der Anklageschrift heißt es weiter, Delling habe Christina Block bei der Organisation der Rückkehr von Baden-Württemberg nach Hamburg unterstützt. Dabei sei er in Kontakt mit dem Fahrer des Mietwagens gestanden. Besonders schwerwiegend ist der Vorwurf, dass Delling die Kinder in einem abgeschlossenen Bereich eines Hauses in Hamburg untergebracht haben soll – mit Anweisung, sie dort von der Außenwelt abzuschirmen.

Verteidigung: „Keine Kenntnis von Entführungsplänen“

Delling selbst weist sämtliche Vorwürfe von sich. Sein Anwalt David Rieks erklärte vor Prozessbeginn: „Die gegen meinen Mandanten in den Raum gestellten Verdachtsbehauptungen sind sachlich und rechtlich unzutreffend.“ Delling habe keine Kenntnis vom Entführungsplan gehabt und sei erst am Neujahrsmorgen über die Ereignisse informiert worden. Er habe sich daraufhin in einer „emotionalen Extremsituation“ befunden und lediglich versucht, Christina Block zu helfen – in dem Glauben, die Kinder seien freiwillig zu ihrer Mutter zurückgekehrt.

Auch in einem internen Gespräch mit Ermittlern habe Delling betont, die Kinder seien „still und ängstlich“ gewesen, hätten aber nicht geäußert, gegen ihren Willen dort zu sein. Die Verteidigung betont, dass Delling keineswegs Teil einer organisierten Aktion gewesen sei, sondern unabsichtlich in den Strudel familiärer und juristischer Konflikte geraten sei.

Die Prominenz als Verstärker: Vom Grimme-Preis zur Gerichtsbank

Dass dieser Fall besonders hohe mediale Wellen schlägt, liegt auch an Dellings Biografie. Der gebürtige Schleswig-Holsteiner galt jahrzehntelang als zuverlässiger, eloquenter Reporter und Kommentator. Gemeinsam mit Günter Netzer bildete er ein sportjournalistisches Dreamteam, das Fußballabende für Millionen Fernsehzuschauer prägte. Der kultige Wortwechsel der beiden – oft bissig, aber herzlich – wurde zu einem Stück deutscher TV-Geschichte.

Nach seinem Rückzug vom Fernsehen engagierte sich Delling unter anderem in sozialen Projekten und trat als Autor hervor. Sein abrupter Wechsel vom öffentlich geschätzten Journalisten zum Angeklagten in einem aufsehenerregenden Kindesentziehungsfall macht ihn zum Symbol für den tiefen Fall einer Medienpersönlichkeit. Der Kontrast könnte größer kaum sein – und verstärkt das öffentliche Interesse am Fall.

Rechtslage und Prozessverlauf

Der Prozess vor dem Landgericht Hamburg begann am 11. Juli 2025. Insgesamt sind 37 Verhandlungstage bis Ende Dezember angesetzt – ein Mammutverfahren mit zahlreichen Zeugen, darunter Psychologen, Verwandte und Ermittler. Eine zentrale Rolle kommt den beiden entführten Kindern zu. Das Mädchen, heute 14 Jahre alt, soll laut Nebenklägeranwalt Olaf Methner aussagen. Bereits in einem früheren Videoverhör habe sie belastende Aussagen gemacht. „Sie sprach von Angst, davon, dass ihr Mund mit Tape zugeklebt wurde und sie nicht wusste, wohin man sie bringt“, so Methner gegenüber dem *Hamburger Abendblatt*.

Ein weiterer Aspekt ist die parallele Anklage gegen Christina Block. Ihr wird nicht nur Entführung vorgeworfen, sondern auch die Verleumdung ihres Ex-Mannes. So soll sie ihn wiederholt zu Unrecht der Pädophilie bezichtigt haben, was bereits im Sorgerechtsstreit für erhebliche Eskalationen sorgte. In einem der Gerichtsakten beigelegten Audiomitschnitt spricht Block laut *WELT* davon, „alle Register“ ziehen zu wollen – auch mit unlauteren Mitteln.

Mediale Reflexion: Vertrauen in Personenmarken

Der Fall Delling wirft eine Reihe journalistischer, ethischer und psychologischer Fragen auf. Wie kann ein Mensch, der jahrzehntelang als integer galt, in solch eine Lage geraten? Ist es denkbar, dass emotionale Bindungen – wie etwa eine enge Freundschaft zu Christina Block – rationale Urteile überlagern? Und was bedeutet es für die Medienlandschaft, wenn ein prominenter Journalist plötzlich selbst zur Nachrichtenfigur wird?

Medienexperten wie Prof. Andreas Zick (Uni Bielefeld) sehen in dem Fall eine „Irritation öffentlicher Integrität“. In einem Interview mit *Deutschlandfunk Kultur* sagte er: „Delling steht für eine journalistische Ära. Dass gerade er nun mit einem derart brutalen Fall in Verbindung gebracht wird, erschüttert das Bild vom Journalisten als neutralem Vermittler.“

Auch aus journalistischer Perspektive ist die Situation delikat. Viele ehemalige Kollegen meiden das Thema öffentlich, es dominiert jedoch in Branchennachrichten. In sozialen Netzwerken wird Delling von manchen verteidigt, von anderen vorverurteilt. Ein Twitter-Kommentar bringt die Ambivalenz auf den Punkt: „Vielleicht hat er aus Loyalität geholfen. Aber Loyalität darf keine Entschuldigung für Unrecht sein.“

Tragödie eines Vertrauensbruchs

Gerhard Delling steht sinnbildlich für einen der spektakulärsten Imageabstürze im deutschen Journalismus. Ob er tatsächlich aktiv an der Entführung beteiligt war oder – wie seine Verteidigung sagt – lediglich in eine emotionale Ausnahmesituation geraten ist, muss das Gericht klären. Sicher ist: Der Fall hat sein Leben dauerhaft verändert.

Das Urteil wird nicht nur über Schuld oder Unschuld entscheiden. Es wird auch als Symbol gewertet werden – für die Verantwortung öffentlicher Personen, für den Einfluss privater Verstrickungen auf das moralische Urteil und für die Grenzen der Loyalität. Für viele bleibt bis dahin eine Frage im Raum: Wer ist Gerhard Delling heute – ein Helfer in der Not oder ein Mitwisser in einem Kindesentführungsdrama?

Hinweis: Alle Angaben entsprechen dem Stand Juli 2025. Die Unschuldsvermutung gilt bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung.

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