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Nicolai Lorenzoni im Interview
Nicolai Lorenzoni im Interview

„Christian Streich war eine Vaterfigur für uns!“ – Nicolai Lorenzoni im Interview

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Der SC Freiburg in der Europa League – das passierte zuletzt 2013. Dabei kommt man an der kuriosen Geschichte von Nicolai Lorenzoni nicht vorbei. Im Interview spricht er über Sevilla, die Pokalsieger-Feier mit Vaterfigur Streich, prominente Teamkollegen und seine Zeit nach dem SC.

Freiburg und Lorenzoni – eine besondere Geschichte

Nicolai Lorenzoni kam mit 16 Jahren zum SC Freiburg. Insgesamt blieb er sechs Jahre. Er gewann den A-Junioren DFB-Pokal und spielte sich in U-Nationalmannschaften. Doch trotz großer Bemühungen und prominenter Teamkollegen blieb ihm der große Durchbruch beim Sport-Club verwehrt.

Eine besondere Geschichte hat er dennoch vorzuweisen. Von fünf Profispielen machte er vier in der Europa League. Dabei führte er Duelle mit den Stars im Fußball. Doch in der Bundesliga spielte er nur einmal. Acht Spielminuten am 01.12.2013 gegen Borussia Mönchengladbach nach einer Verletzung von Francis Coquelin. Weitere 81 Einsätze kann er für die zweite Mannschaft der Freiburger vorweisen.

Eben dieser Coquelin traf auch in einem Europapokal-Spiel mit Lorenzoni, wie sich sein damaliger Trainer Christian Streich erinnert: „Er hat in Liberec gespielt – mit Sebastian Kerk. Wir haben 2:1 gewonnen, Coquelin hat ein Kopfballtor gemacht.“ Angesprochen auf seinen ehemaligen Schützling freute er sich, erkundigte sich nach seinem derzeitigen Verein und wünschte ihm alles Gute: „Ich hoffe, es geht ihm gut. Ich hoffe, dass er Erfolg hat.“

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An seine Mannschaftskameraden erinnert Lorenzoni sich noch ganz genau. Das Teamfoto vom letzten Europapokal-Spiel der Freiburger hat er auf dem Smartphone. „Die kenne ich alle noch! So eine Truppe vergisst man nicht“, erinnert er sich im Interview zurück.

Magische Europa League-Nächte und prominente Weggefährten

Nik Staiger: Donnerstagabend. Dreisamstadion. Europa League-Hymne. Neben dir Spieler wie Ivan Rakitic. Was fühlt man dabei?

Nicolai Lorenzoni: Gänsehaut pur. Das ist Weltklasse! So eine Kulisse war ich noch nicht gewohnt. Beim Einlaufen und Aufwärmen hat es richtig gekribbelt. Da war die Nervosität da. Aber nach fünf Spielminuten war ich im Tunnel, da habe ich sonst gar nichts mehr wahrgenommen. Ivan Rakitic war dabei. Wem ich fast 90 Minuten gegenüber stand, war [Vicente] Iborra. Das vergesse ich nie wieder, ein Zwei-Meter-Riese!

Du bist in der Schweiz geboren. Beim FC Basel hast du mit heute sehr bekannten Jungs zusammengespielt. Dann ging es aber relativ früh nach Deutschland. Wie kam es dazu?

Beim FC Basel habe ich mit Xerdan Shaqiri und auch Granit Xhaka zusammen gespielt. Als ich drei Jahre alt war, sind wir dann nach Deutschland über die Grenze gezogen, nach Herten. Dort bin ich zwar in den Kindergarten und später in die Schule gegangen, habe aber weiter in Basel Fußball gespielt. Dann gab es eine Zeit, wo die Pendelei mit Zug und Bus sehr stressig war. Wir hatten jeden Tag Training. Dadurch habe ich die Schule etwas vernachlässigt. Da musste ich einen Rückschritt machen und habe ein Jahr in meinem Heimatdorf beim SV Herten gespielt.

Dort kam ich dann zuerst in die Hochrhein-Auswahl, dann in die Südbadische Auswahl. Mit der Südbadischen hatten wir später ein Turnier in Duisburg, wo ich dann zur U20-Nationalmannschaft eingeladen wurde. Nach einem Jahr bei Herten kam dann Freiburg auf mich zu. Die Entscheidung war einfach. Schon in der Kindheit habe ich viel für den Fußball aufgegeben. In der Schule ging es bergauf, deshalb habe ich mich entschieden, den Schritt zum SC zu machen. Außerdem legt man in Freiburg viel Wert auf beides. Die schauen, dass es auch in der Schule läuft.

In der B-Jugend (U17) bin ich nach Freiburg gewechselt. Erst ist meine Familie mitgezogen, aber meine Schwester hatte Heimweh und meine Mutter noch unten gearbeitet. Deshalb sind sie wieder zurück und ich kam in eine Gastfamilie. Das war wie eine zweite Familie für mich. Ich habe noch heute Kontakt. Dort habe ich mich super wohl gefühlt. Dann ging es los. In die A-Jugend, da in die Nationalmannschaft. Und dann durfte ich schon unter Robin Dutt bei den Profis mittrainieren. Marcus Sorg habe ich miterlebt und natürlich Christian Streich für 8-9 Jahre.

Auch da hast du mit vielen heute bekannten Spielern zusammen gespielt. Matthias Ginter, Christian Günter, Alexander Schwolow – wie waren die so?

Sie waren damals auch nicht anders, als man sie jetzt kennt. Manchmal habe ich noch Kontakt zu ihnen, aber nicht oft. Es ist natürlich auch schwer. Ich komme selten nachhause und kann da nicht einfach aufm Trainingsplatz vorbeischauen – sonst würde ich das natürlich tun. Alle sind sehr bodenständige Typen. Stinknormal – wie du und ich.

Mit ihnen bist du damals U19-Pokalsieger geworden. Wie habt ihr danach gefeiert?

Der Pokalsieg in Berlin, gegen Hansa Rostock. Die Feier danach war natürlich Weltklasse. Wir durften richtig die Sau rauslassen. Uns wurde in Berlin ein Club reserviert. Da hat man sich teilweise dann verloren. Beim Frühstück war dann die ganze Mannschaft aber wieder zusammen. Außer Christian Streich! Der kam erst später. Er war wohl noch ein bisschen länger unterwegs.

Nicolai Lorenzoni bei seinem einzigen Bundesliga-Einsatz

Nicolai Lorenzoni bei seinem Bundesliga-Einsatz gegen Gladbach (Foto: Kai Schwörer)

Du sprichst Christian Streich an.

Super Typ! Er ist ein super Trainer – auch ein super Mensch. Er beschäftigt sich auch mit anderen Dingen. Fußball ist zwar sein Leben, aber für ihn zählt nicht nur der Fußball. Da geht es auch um andere Sachen. Er ist für uns junge Spieler wie eine Vaterfigur gewesen. Er ist einfach menschlich. Streich kam immer zu uns und hat gefragt, wie es einem geht und ob zuhause alles in Ordnung ist. Sobald man auf dem Platz ist, ist er natürlich hochimpulsiv. Da achtet er darauf, dass alles so ist, wie es sein soll. Aber außerhalb vom Platz ist er total familiär.

Dann kam die Saison 2013/14, wo du es zu den Profis geschafft hast. Von fünf Einsätzen vier im Europapokal ist eine sehr außergewöhnliche Statistik. Wie kam das?

Im Europa League-Jahr lief es in der Liga nicht ganz so gut. Die ungewohnte Doppelbelastung, viele Leistungsträger mussten abgegeben werden. Ich glaube, dass ich es mir auch verdient habe, zu spielen. Aber für Streich war es natürlich auch eine Option, die Leistungsträger mal zu schonen.

In Fankreisen gab es die Wünsche, dich häufiger auch in der Liga zu sehen. Hast du das damals wahrgenommen?

Nein, habe ich nicht. Ich habe mir da auch gar keinen Kopf gemacht. Aber ich kann mich noch erinnern, wie Streich am Tag vor dem Spiel gegen Estirol Praia auf mich zukam und meinte „Es kann gut sein, dass du morgen in der Startelf stehst.“ Da habe ich mich übelst gefreut, aber keine weiteren Gedanken gemacht. Nach dem Morgentraining meinte er dann: „Heute Abend wirst du von Anfang an spielen!“ Das war natürlich geil. Und wenn man die Luft mal geschnuppert hat, will man mehr Einsätze haben. Zum Glück habe ich sie in der Europa League bekommen. Wenn man es einmal erlebt hat, will man angreifen.

Wie kam es dann, dass du im Winter 2014/15 von Freiburg weggegangen bist?

Gerade nach der EuroLeague-Saison lagen natürlich einige Angebote auf dem Tisch. Ich wollte in einer höheren Liga Spielpraxis bekommen. Da lief dann auch einiges schief in der Transferphase, dass ich am Ende in Chemnitz gelandet bin. Das hat mich etwas runtergezogen. Ich Chemnitz habe ich mich nicht allzu wohl gefühlt. Das hat man dann an meiner Leistung gemerkt.

Ich wurde mal gefragt, welchen Fehler ich in meinem Leben bereue. Da sagte ich, dass ich zu früh von Freiburg weggegangen bin. Der Wechsel nach Chemnitz war nicht gut. Als ich später nach Kassel gewechselt bin, habe ich wirklich den Spaß am Fußball wiedergefunden.

Lorenzoni eingekesselt von Jantschke und Hrgota

Nicolai Lorenzoni im Zweikampf mit Tony Jantschke und Branimir Hrgota (Foto: Kai Schwörer)

Damals hast du auch davon profitiert, dass Christian Günter keinen Backup hatte. Das ist heute nicht anders. Wenn Jochen Saier morgen anruft, hättest du Bock auf Freiburg II, dritte Liga und eventuell Europacup?

(lacht.) Natürlich hätte ich Lust drauf! Gerade jetzt, wo Patrick Lienhard zurückkehrt. Mit ihm habe ich immer noch Kontakt. Als er mir sagte, dass er auch dahin wechselt, dachte ich natürlich, das wäre eine Riesen-Gaudi. Aber ich habe hier jetzt meine Ausbildung zum Kaufmann abgeschlossen, da bin ich froh drum. Ich habe hier meinen Arbeitgeber. Aber wenn Saier anruft, würde ich das möglich machen!

Deine Laufbahn ging dann in unterklassigen Ligen weiter. Kassel, Koblenz, Erfurt, Sand, Lichtenau und jetzt Baunatal. Zum einen sind das viele Wechsel, zum anderen bist du immer hier in der Region geblieben. Wie kommt es, dass du dich so in Nordhessen festgesetzt hast?

In meinen zwei Jahren in Kassel habe ich einige Jungs hier kennengelernt. Und auch meine Freundin. Dann hat es sich rumgesprochen, dass ich mit dem Profi-Fußball aufhören. Gerade hier aus der Region kamen dann die Anfragen, ob ich es mir nicht vorstellen könnte, bei ihnen anzufangen – in Kombination mit einem Sponsoring. In meinem Fall war es die DEVK, mit denen ich von Anfang an super Gespräche hatte. Das hat mich dazu bewogen, hier zu bleiben. Jetzt habe ich einen super Verein gefunden und einen Arbeitgeber, wo ich meine Ausbildung gemacht habe.

Jetzt spielst du beim KSV Baunatal. Was habt ihr für Ziele? Am Platzrand habe ich gehört, dass ein Aufstieg ganz schön wäre?

Von wem? (lacht.) Wir wollten letzte Saison gerne in die Aufstiegsrunde – mit der Mannschaft und Qualität, die wir haben. Aber da kommt viel zusammen. Wir hatten Probleme mit Verletzungen. In harten Zeiten mussten wir 11-12 Leute zusammentrommeln, dass wir eine Mannschaft auf den Platz bekommen haben. Wenn das Glück auf unserer Seite ist, wir gut trainieren und dran bleiben, dann sehe ich uns schon im oberen Drittel. Ob es für den Aufstieg reicht, weiß ich nicht. Das würde ich auch nicht als Ziel setzen. Aber ich gebe alles dafür – genau deshalb spielt man ja auch Fußball.

Du hast vier Europa League-Spiele gemacht. Die meistern Freiburger haben noch gar nicht international gespielt. Welche Tipps hast du für sie?

Da kann ich wenig Expertise mitgeben. Ein EuroLeague-Spiel geht man nicht anders an als ein Bundesliga-Spiel. Wenn ich sehe, was Freiburg letztes Jahr auf den Platz gezaubert hat – kämpferisch und läuferisch. Da sind sie super gewappnet. Man hat im DFB-Pokal gesehen: Das ist eine Turnier-Mannschaft! Ich glaube, den Jungs brauche ich keine Tipps geben. Die wissen, um was es in dem Turnier geht. Sie sind bis ins Pokalfinale gekommen, warum nicht auch ins Europa League-Endspiel? Vielleicht ja gegen Frankfurt!

Quelle Titelbild: Kai Schwörer / Schwörer-Pressefoto

Autor: Nik Staiger (TwitterInstagram)

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