Fußball war lange Zeit die große sportliche Randerscheinung in den Vereinigten Staaten – ein „Exot“ im Schatten der NFL, NBA und MLB. Doch die Major League Soccer (MLS) hat sich in den letzten Jahren radikal gewandelt: von einer belächelten Liga mit merkwürdigen Regelanpassungen hin zu einem ambitionierten Global Player.
Mit Superstar Lionel Messi in Miami, stetig wachsenden Zuschauerzahlen und einer bald anstehenden Heim-Weltmeisterschaft 2026 steht die Liga am Scheideweg. Der amerikanische Fußball ist erwachsen geworden – und doch bleiben strukturelle Fragen offen.
Gründung und schwieriger Start
Die Wurzeln der MLS liegen in der erfolgreichen Bewerbung der USA für die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 1994. Eine zentrale Bedingung der FIFA: Der Aufbau einer professionellen Fußballliga im Gastgeberland. 1993 wurde die MLS gegründet, 1996 begann der Spielbetrieb mit zehn Teams – u.a. D.C. United, LA Galaxy und Columbus Crew.
Doch die ersten Jahre verliefen holprig. Die Liga experimentierte mit eigentümlichen US-Anpassungen: „Shootouts“ statt Unentschieden, Spieluhren, die rückwärts liefen – alles Versuche, das Spiel „amerikanischer“ zu machen. Das Publikum blieb zurückhaltend. Bereits 2002 mussten zwei Teams mangels wirtschaftlicher Tragfähigkeit eingestellt werden.
Professionalisierung und Stabilisierung
Erst mit der Ernennung von Don Garber zum Liga-Commissioner 1999 begann ein nachhaltiger Wandel. Garber setzte auf langfristige Investitionen in Infrastruktur – so entstand in Columbus 1999 das erste reine Fußballstadion („Soccer-Specific Stadium“) der USA. Statt auf kurzfristige Stars zu setzen, investierten viele Clubs in Jugendarbeit, lokale Verwurzelung und finanzielle Nachhaltigkeit.
Diese Strategie trug Früchte. Die Zuschauerzahlen stiegen langsam, aber stetig. Sponsoren und Medienpartner begannen, Vertrauen zu fassen. Die MLS überlebte – und wuchs.
Expansion und wirtschaftlicher Aufschwung
Heute, knapp 30 Jahre nach dem ersten Anpfiff, hat sich das Gesicht der Liga deutlich verändert. Die MLS ist auf 30 Teams angewachsen – zuletzt stieß St. Louis City hinzu, 2025 folgt San Diego FC. Mit jeder Expansion steigen die Einnahmen: Neue Franchisenehmer zahlen inzwischen über 500 Millionen Dollar Eintrittsgeld.
Auch das Faninteresse hat neue Dimensionen erreicht. In der Saison 2024 besuchten über 11 Millionen Menschen die Stadien der MLS – ein Rekord. Der durchschnittliche Besuch lag bei über 23.000 Zuschauern pro Spiel. Damit liegt die MLS unter den Top-3 Ligen Nordamerikas, hinter NFL und MLB – noch vor der NHL.
Besonders auffällig ist der Erfolg in Märkten mit starker lateinamerikanischer Diaspora – etwa in Los Angeles, Miami oder Austin. Dort ist Fußball längst kein Fremdkörper mehr, sondern Ausdruck kultureller Identität.
Struktur und Besonderheiten der Liga
Die MLS unterscheidet sich in ihrer Struktur deutlich von europäischen Fußballligen. Sie funktioniert als „Single Entity“ – also als zentral gesteuerte Liga, in der Spieler nicht direkt bei den Clubs, sondern bei der Liga angestellt sind. Es gibt keinen Auf- oder Abstieg, was sportliche Kontinuität sichern soll, aber auch Kritik auf sich zieht.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die Gehaltsobergrenze („Salary Cap“). Jedes Team darf nur ein begrenztes Budget für Spielergehälter einsetzen – mit drei Ausnahmen: den sogenannten „Designated Players“. Diese Regel wurde 2007 eingeführt, um David Beckham nach Los Angeles zu lotsen, und ist heute Grundlage für Stars wie Lionel Messi, Luis Suárez oder Lorenzo Insigne.
Kritik gibt es trotzdem: Andrea Pirlo forderte zuletzt öffentlich die Abschaffung des Salary Caps, um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Europa zu erhöhen. Auch innerhalb der MLS wird diskutiert, ob diese rigiden Regeln die Entwicklung langfristig ausbremsen.
Internationale Aufmerksamkeit und mediale Expansion
Ein echter Meilenstein war die Verpflichtung von Lionel Messi im Sommer 2023. Sein Wechsel zu Inter Miami elektrisierte die Fußballwelt – und brachte der MLS eine nie dagewesene internationale Strahlkraft. In der Folge wurde auch der mediale Rahmen neu geordnet: Die Liga schloss einen Exklusivvertrag mit Apple TV ab. Über den „MLS Season Pass“ sind weltweit alle Spiele zu sehen – ein Novum in der Sportwelt.
Zudem engagieren sich TV-Partner wie Sportdigital auch in Europa, um die MLS präsenter zu machen. Der Club aus Miami wird nun regelmäßig in Argentinien, Spanien und Deutschland geschaut – ein deutlicher Schritt in Richtung Globalisierung.
Sportlicher Aufstieg und Club-Weltmeisterschaft
Die sportliche Qualität in der MLS hat in den letzten Jahren klar zugelegt. Die Ausbildungsarbeit der Clubs trägt Früchte, wie etwa an Spielern wie Tyler Adams, Weston McKennie oder Ricardo Pepi sichtbar wird, die den Sprung nach Europa schafften.
Ein echtes Schaufenster der MLS auf der Weltbühne wird der FIFA Club World Cup 2025 sein – ein Jahr vor der Heim-WM. Mit LAFC, Inter Miami und Seattle Sounders nehmen gleich drei MLS-Teams teil. Es wird sich zeigen, ob die Liga auch sportlich mit Europas Topclubs mithalten kann – oder ob sie trotz Stars wie Messi noch Entwicklungsarbeit leisten muss.
WM 2026 und gesellschaftlicher Rückenwind
Die Heim-WM 2026 (gemeinsam mit Mexiko und Kanada) gilt als potenzieller „Gamechanger“ für den Fußball in den USA. Nie war das Umfeld so günstig: Die Stadion-Infrastruktur ist vorhanden, die Bevölkerung jünger und internationaler denn je. Besonders lateinamerikanische Einwanderer sehen Fußball als Teil ihrer Lebenswelt – und tragen maßgeblich zum Zuschauerboom bei.
Auch im Jugendbereich ist Fußball heute weit mehr als bloße Freizeitbeschäftigung: Er ist die beliebteste Mannschaftssportart bei Mädchen und eine der populärsten bei Jungen unter 16 Jahren. Die MLS profitiert davon – und betreibt mit „MLS Next Pro“ mittlerweile ein eigenes Förderliga-System.
Herausforderungen und offene Fragen
Trotz aller Fortschritte bleiben zentrale Herausforderungen bestehen. So wird in Fankreisen und bei Journalisten intensiv über die Einführung eines Auf- und Abstiegssystems debattiert. Dies würde mehr sportliche Spannung erzeugen – allerdings auch das finanzielle Risiko erhöhen.
Auch die Frage nach der internationalen Ausrichtung ist ungelöst: Soll die MLS künftig mehr in Richtung Premier League denken – oder ihren eigenen Weg mit wirtschaftlicher Kontrolle weitergehen? Der Spagat zwischen wirtschaftlichem Realismus und sportlicher Ambition wird schwer zu meistern sein.
Schließlich steht die Liga auch im Wettbewerb mit anderen Projekten: Die zweitklassige USL strebt die Anerkennung als offizielle Division I-Liga an – ein Angriff auf das MLS-Monopol. Gleichzeitig gibt es mit der NWSL im Frauenfußball eine parallele Entwicklung, die ebenfalls mehr Aufmerksamkeit verdient.
Gekommen um zu bleiben
Die Major League Soccer hat sich vom belächelten Fußball-Experiment zur festen Größe in der US-Sportlandschaft entwickelt. Mit durchdachter Expansion, gezielter Investition in Infrastruktur und jugendfreundlicher Ausrichtung hat sie sich ihren Platz im Sportkosmos der USA erarbeitet.
Die Verpflichtung von Weltstars wie Lionel Messi, der globale Apple-TV-Deal und die baldige Heim-WM 2026 zeigen, dass die MLS mehr denn je im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit steht. Doch damit steigen auch die Erwartungen: Wird sie den nächsten Schritt machen – hin zu einer echten Weltliga? Oder scheitert sie an ihrem eigenen System?
Eines ist klar: Fußball in den USA ist gekommen, um zu bleiben. Und die MLS ist bereit, diesen Weg mitzugestalten – nicht als Kopie europäischer Ligen, sondern als eigenständiges Projekt mit globaler Vision.