Im Sommer 2025 feiert die FIFA-Klub-Weltmeisterschaft ein wegweisendes Comeback in neuem Format. Erstmals treten 32 Vereine in einem Turniermodus gegeneinander an, der dem der Fußball-Weltmeisterschaft ähnelt.
Austragungsort: die USA. Unter den Teilnehmern sticht besonders ein Land hervor – Brasilien. Gleich vier brasilianische Klubs haben sich für das Turnier qualifiziert: Flamengo, Palmeiras, Fluminense und Botafogo. Eine Konstellation, die in Europa kaum wahrgenommen wird, für Brasilien aber höchste Bedeutung hat.
Angesichts der Dominanz europäischer Teams in den vergangenen Jahren stellt sich die Frage: Ist die Klub-WM eine einmalige Bühne für Brasiliens Vereine – oder die längst überfällige Chance, der Fußballwelt zu beweisen, dass Spitzenfußball auch jenseits von Real Madrid, Manchester City oder Bayern München gespielt wird?
Turnierstruktur und Qualifikation
Das neue Format der Klub-WM ist ambitioniert. Vom 15. Juni bis zum 13. Juli 2025 kämpfen 32 Teams aus allen sechs Kontinentalverbänden um den Titel. Die Teams werden in acht Vierergruppen aufgeteilt, von denen jeweils die besten zwei in die K.o.-Phase einziehen. In der Endrunde folgen Achtel-, Viertel-, Halbfinale und schließlich das große Finale in Miami.
Brasilien stellt mit vier Vereinen das größte Kontingent aller Länder. Das ist einer Sonderregelung zu verdanken: Da Palmeiras (2021), Flamengo (2022), Fluminense (2023) und der nächste Copa-Libertadores-Sieger (voraussichtlich erneut aus Brasilien) jeweils kontinentale Champions wurden, konnte Brasilien das übliche Zwei-Teams-Limit pro Nation überschreiten. Das unterstreicht nicht nur die Stärke der brasilianischen Vereine in Südamerika, sondern auch ihre Bedeutung im globalen Fußball.
Erwartungen an Brasiliens Klubs
Die Klub-WM ist für brasilianische Vereine nicht nur ein sportliches Event, sondern auch ein identitätsstiftendes Ereignis. In Europa wird der Wettbewerb häufig kritisch betrachtet, teils sogar belächelt – zu dicht ist der Kalender, zu gering der Prestigewert im Vergleich zur Champions League. Doch in Brasilien ist das anders: Die Klub-WM gilt als höchstes Ziel im Vereinsfußball. Der Titel hat enormen symbolischen Wert, da er den direkten Vergleich mit der europäischen Elite erlaubt.
Zudem geht es um mehr als nur Pokale. Für brasilianische Vereine ist die Klub-WM ein Schaufenster: Junge Talente wie Estevão (Palmeiras) oder Alexsander (Fluminense) können sich global präsentieren. Große europäische Klubs und internationale Investoren werfen ein scharfes Auge auf solche Turniere. Die globale Medienresonanz, die von einem Sieg oder auch nur einem überzeugenden Auftritt gegen europäische Spitzenklubs ausgeht, ist für brasilianische Vereine unbezahlbar – sowohl sportlich als auch ökonomisch.
Auch aus historischer Sicht ist die Motivation groß. Der FC Corinthians holte 2012 als letzter südamerikanischer Klub den Titel. Damals besiegten sie im Finale den FC Chelsea. Ähnliche Heldengeschichten schrieben São Paulo 2005 gegen Liverpool oder Internacional 2006 gegen Barcelona. Diese Siege sind Teil der kollektiven brasilianischen Fußballseele – und ein Maßstab für die Generation von 2025.
Stärken und Schwächen im Vergleich zur europäischen Konkurrenz
Trotz aller Ambitionen müssen die brasilianischen Vereine realistisch bleiben. Der größte Unterschied liegt im finanziellen Bereich. Der Marktwertvergleich spricht eine klare Sprache: Von den zwölf wertvollsten Kadern der Klub-WM stellen elf europäische Klubs. Palmeiras ist mit einem Kaderwert von rund 180 Millionen Euro der einzige nichteuropäische Verein, der in diese Sphäre vordringt.
Ein weiterer Unterschied liegt in der strukturellen Belastung. Während europäische Teams die Klub-WM am Ende einer langen Saison spielen – häufig ausgebrannt von Champions League, nationalem Pokal und Liga – befinden sich die brasilianischen Klubs im Juni noch mitten in ihrer Spielzeit. Diese Frische kann ein Vorteil sein. Trainer Renato Gaúcho (Flamengo) betonte jüngst: „Wir müssen mit Mut, Verantwortung und vor allem Eiern spielen, wenn wir gegen Chelsea oder andere Giganten antreten.“
Taktisch agieren brasilianische Vereine oft variabler und kreativer, auch bedingt durch das individuelle Talent ihrer Spieler. Dennoch fehlt es häufig an der defensiven Stabilität und der physischen Wucht, die europäische Topteams wie Real Madrid oder Manchester City mitbringen. Hinzu kommen logistische Herausforderungen: Reisen, Klima, Zeitverschiebung – all das trifft brasilianische Teams härter als europäische Klubs, die in der Regel bestens ausgestattet und vorbereitet sind.
Szenarien und Chancen
Was ist also realistisch für Brasiliens Vertreter? Flamengo gilt als stärkster brasilianischer Klub im Turnier. Die Gruppe D mit Chelsea, Al Ahly und Esperance Tunis ist anspruchsvoll, aber machbar. Das Auftaktspiel gegen Esperance gewann Flamengo souverän mit 2:0 – ein wichtiges Signal.
Fluminense hingegen trifft in Gruppe F auf Borussia Dortmund, Club América und einen asiatischen Vertreter. Eine sportlich anspruchsvolle Gruppe, in der jeder Punkt zählt. Für Palmeiras und Botafogo hängt viel von den direkten Duellen gegen europäische Teams ab. Sollte Flamengo im Viertelfinale auf Chelsea treffen und bestehen, wäre das ein echtes Ausrufezeichen – und eine Einladung an alle, den südamerikanischen Fußball wieder ernst zu nehmen.
Ein rein brasilianisches Finale – etwa Flamengo gegen Palmeiras – erscheint derzeit unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Die K.o.-Phase birgt Überraschungspotenzial, zumal Turnierlogik und Tagesform eine größere Rolle spielen als in Ligensystemen.
Bedeutung über das Turnier hinaus
Der wahre Wert der Klub-WM für brasilianische Vereine liegt womöglich nicht im Titel, sondern im Prozess. Die globale Sichtbarkeit lässt sich in Sponsorenverträge, Merchandising, Streaming-Rechte und Transfers ummünzen. Auch innerhalb Brasiliens könnte ein erfolgreiches Abschneiden das öffentliche Interesse an nationalen Wettbewerben wie der Série A oder der Copa do Brasil steigern.
Dazu kommt: Die FIFA hat für das Turnier ein Preisgeld von über einer Milliarde US-Dollar ausgelobt. Schon das Erreichen der K.o.-Phase kann brasilianischen Klubs mehrere Millionen einbringen – Beträge, die für Vereine mit oft prekären Finanzstrukturen ein entscheidender Impuls sein können.
Langfristig könnte sich die Klub-WM als Plattform etablieren, auf der brasilianische Vereine systematisch in die Nähe der europäischen Topklubs rücken – sportlich, strukturell, wirtschaftlich. Voraussetzung dafür ist jedoch ein intelligentes Ressourcenmanagement und ein Fokus auf nachhaltige Vereinsentwicklung, um Talente wie Endrick, Estevão oder Vitor Roque nicht nur auszubilden, sondern auch länger zu halten.
Eine historische Gelegenheit
Die Klub-WM 2025 ist für brasilianische Vereine eine historische Gelegenheit. Selten zuvor waren die Voraussetzungen so gut, um sich global zu präsentieren, sportlich ernstgenommen zu werden und strukturell voranzukommen. Mit vier starken Vertretern, einem günstigen Turnierzeitpunkt und gewachsenen Ambitionen hat Brasilien alle Voraussetzungen, ein gewichtiges Wort mitzureden.
Der Wettbewerb ist für Brasilien nicht nur ein sportliches Event – er ist Identitätsfrage, nationale Ehre und Zukunftschance zugleich. Ein Einzug ins Halbfinale oder gar Finale könnte dem südamerikanischen Vereinsfußball ein neues Selbstbewusstsein geben. Noch entscheidender aber ist, was danach folgt: Wird die Klub-WM zum Sprungbrett für eine neue Ära – oder bleibt sie eine verpasste Gelegenheit? Die Antwort begann am 15. Juni 2025 in Miami.